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Zeus

Der verzweifelte Versuch, der Welt eine - meine - Sicht der Dinge aufzuzwingen.

14.12.04

Erinnerung

Heute auf besonderen Wunsch ohne Klammern [fast, jedenfalls]. Eine gute Kolumne hat sowas nämlich nicht...

Erinnerung ist doch eine wunderbare und auch ganz praktische Sache. Intelligenz wäre ohne Lernfähigkeit nicht möglich, nicht ohne Erinnerung also.

Erinnerung spielt überall mit.

Oft auch ganz unbewusst. Dann nämlich, wenn wir sensorische Informationen, Eindrücke, Gesehenes und Gehörtes mit unserem eigenen Erfahrungsschatz vergleichen, bewerten und interpretieren.

Oft aber auch ganz bewusst. Dann nämlich, wenn wir uns an vergangene Ereignisse, Abenteuer, Erlebnisse, Personen, Gesichter, Gefühle erinnern.

Viele andere Gesichter der Erinnerung könnten aufgezählt werden.

Doch was ist eine solche Erinnerung?

Unser Gehirn gaukelt uns vor, Vergangenes sei aktuell und laufe gerade jetzt ab. So erinnern wir uns beispielsweise an eine Stimme, an einen Duft, ein Gesicht, wie wenn's live geschehen würde. Die Erinnerung funktioniert also ziemlich perfekt.

Aber doch nicht ganz. Dummerweise ist eine solche Erinnerung immer nur ein Abbild, eine Projektion, dessen, was wir einmal erlebt haben. So sehen wir das Bild der Mona Lisa vor uns. Und trotzdem ist es nicht dasselbe, wie wenn wir direkt davor stünden. Wir alle "erleben" immer wieder im Geiste den letzten Geburtstag, Weihnachten mit den Grosseltern, den Sturz mit dem Fahrrad, die letzte Party,... die erste Umarmung, den ersten Kuss, vergangenes Glück.

Eine solche Erinnerung ist aber nicht das echte Durchleben der damit ursprünglich verbundenen Gefühle. Wir WISSEN wie's war, und rufen uns dieses Wissen ins Gedächtnis, die Erinnerung findet nicht statt. Die Information ist in verarbeiteter, "logischer" Form vorhanden. Die ursprünglichen Sinneseindrücke, die eigentlichen sensorischen Signale, sind verloren gegangen.

Eine solche Erinnerung ist böse. Böse deshalb, weil sie zwar erzählt, was Glück ist, weil sie zwar erzählt, was Liebe ist, aber man damit trotzdem nicht glücklich wird, und schon gar nicht erst irgendwelche Liebe erfährt.

Und so bleibt die Hand, die über Nacken und durchs Haar streicht, nichts als ein "leeres" Bild. Das Herz schlägt deswegen nicht höher und es macht sich auch keine wohlige Wärme im Körper breit.

Im Gegenteil.

Was bleibt, ist das Unglück über gewesenes Glück.

Böse Erinnerung.

1 Comments:

At 8:42 PM, Anonymous Anonym said...

Ich las vor kurzem den Weblog-Artikel 'Are You A Comfort Addict?'. Darin wird ein guter Grund aufgezeigt, weshalb es für mensch besser ist, nicht ununterbrochen alle Komforte der Welt zu geniessen bzw. geniessen zu können. Behalte diese Aussage fürs Folgende im Hinterkopf!

In Bezug aufs Erinnerungsvermögen schreibst Du: Die ursprünglichen Sinneseindrücke, die eigentlichen sensorischen Signale, sind verloren gegangen.
  Eine solche Erinnerung ist böse. Böse deshalb, weil sie zwar erzählt, was Glück ist, weil sie zwar erzählt, was Liebe ist, aber man damit trotzdem nicht glücklich wird, und schon gar nicht erst irgendwelche Liebe erfährt.
Nein, "böse" ist die Erinnerung doch nur dann, wenn Du nichts daraus machst. Erinnerungen wie "die Hand, die über Nacken und durchs Haar streicht," mögen an sich substanzlos sein; aber gerade deshalb doch, nämlich weil sie Dir nicht genügen, können sie Dich dazu anspornen, in die Welt rauszugehen und sowas ähnliches wieder zu erleben. (Ich nehme mal an, Du sprachst nicht von Deiner eigenen Hand. ;-)

Stell Dir vor, Erinnerungen wären so real, dass Du deren Sinneseindrücke nicht von "realen", gegenwärtigen unterscheiden könntest. Wo läge da in fortgeschrittenem Alter überhaupt noch der Anreiz, ein aktives Leben zu führen, wenn Du stattdessen auch einfach tolle Erinnerungen von früher abspulen kannst?

Mir fallen dazu zwei Konsequenzen ein: entweder, die Erinnerungen würden auf Dauer sehr langweilig, weil Du nichts mehr Neues erlebst, oder Du stirbst an Deiner eigenen Untätigkeit: "Junge, habe ich Hunger... und der Kühlschrank ist leer! -- Ach, war das Essen letzte Weihnachten vielleicht gut! *erinner*" :-)

Vielleicht gab's ja in prähistorischen Zeiten mal Menschen mit totalem Erinnerungsvermögen, bevor sie dann wieder ausgestorben sind...

In einem Punkt muss ich Dir allerdings zustimmen: solche Erinnerungen sind "böse", weil Du dich überhaupt an etwas erinnern kannst. Ich bin fast sicher, die Menschen wären ohne jegliches Erinnerungsvermögen glücklicher. Wesentlich dümmer zwar, aber glücklicher. Vielleicht hätten es in einer solchen Welt die Schimpansen ja weiter gebracht als wir...

 

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