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Zeus

Der verzweifelte Versuch, der Welt eine - meine - Sicht der Dinge aufzuzwingen.

4.10.04

"Die Schönheit der Mathematik" - oder so ähnlich

Wenn mir ein Streifen Papier in die Finger gerät, spiele ich immer dasselbe Spiel. Wie oft kann man den Streifen in der Hälfte zusammenfalten? Hat der Streifen A4-Länge, so geht es ganz knapp 6 mal. Der mathematik-interessierte Leser wird sich schnell zurecht legen, dass in diesem Fall das gefaltete Endprodukt 64-Lagen dick ist (1 mal falten = Lagen, 2 mal falten = 4 Lagen, 3 mal falten = 8 lagen, ... 6 mal falten = 2^6 = 64 Lagen).

Interessant wird's, wenn man immer auf dieselbe Seite faltet. Klappt man nun nämlich den Streifen wieder auf, so dass in jedem "Gleich" (Falte) ein Winkel von 90° entsteht, hat man die sogenannte Drachenkurve vor sich.

Die Drachenkurve ist ein geometrisches Konstrukt fraktaler Natur. Sie entsteht - nebst durch Falten - genauso wie die sehr bekannte Hilbert-Kurve durch rekursives Ersetzen einer geraden Linie durch eine leich kompliziertere Struktur.

Im Fall der Drachenkurve ist die geometrische Konstruktion ganz einfach:


  1. Eine gerade Linie verbindet zwei gegebene Punkte A und B

  2. Diese Linie wird durch ein gleichschenkliges rechtwinkliges Dreieck, dessen Grundlinie die ursprüngliche Linie bildet, ersetzt.

  3. In der ersten Stufe (wo's nur eine Linie zu ersetzen gibt) liegt dieses Dreieck auf der linken Seite der Verbindungslinie AB.

  4. Jede der beiden durch Ersetzen entstehenden Linien wird jeweils wieder durch neue Dreiecke ersetzt, wobei das erste auf der linken Seite der Linie zu liegen kommt, das zweite auf der rechten. Es ensteht eine rechteckige Linie, die an ein liegendes Fragezeichen erinnert.

  5. Rekursiv wird jetzt mit jeder neu entstehenden Linie gleich verfahren, theoretisch unendlich tief


Führt man diese Rekursion ad infinitum (was natürlich nicht geht), so erhält man eine unendlich lange Linie, die in einer begrenzten Fläche liegt. Die Kurve wird zur Fläche, etwas eindimensionales bekommt zweidimensionalen Charakter - weshalb man von gebrochenen Dimensionen spricht, oder eben Fraktalen.

Beispiel: http://zosso.piranho.ch/drachenkurve.jpg"

Die Drachenkurve ist fraktaltypisch selbstähnlich, d.h. man findet in einem kleinen Ausschnitt der Kurve das Originalbild wieder. Die Farbgebung im obigen Beispiel soll diesen Sachverhalt verdeutlichen.

Ein Detail am Rande: Die Kurve berührt sich zwar in unzähligen Ecken, sie schneidet sich selbst aber nie (den Beweis liefert die physische Realisierung in Form des gefaltenen Papierstreifens). Obwohl die Fläche sich selbst zu überschneiden scheint, greift sie vielmehr mit unheimlicher Präzision genau passend in sich selbst hinein (Parkett).

Ein anderes schönes Beispiel aus meiner "Kindheit", das mir an dieser Stelle wieder in den Sinn gekommen ist, ist das klassische Farnblatt.

Das Farnblatt erhält man ebenfalls durch rekursive Konstruktion:


  1. Eine Linie wird gezeichnet.

  2. Am Ende der Linie verzweigt sich das Blatt in 3 "Stränge": der Hauptstrang führt mit kleiner Abwinkelung und nur leichter Verkürzung gerade weiter. 2 Nebenstränge zweigen stärker abgewinkelt und mit deutlicher Verkürzung (ca. 50%) nach links und rechts ab. Jeder Strang ist Ausgangspunkt für eine neue Linie gemäss Punkt 1.


Ein leicht komplizierteres Modell wurde für die folgende Illustration verwendet. Das Farnblatt verfügt hier über 15 Rekursionsstufen:

Beispiel: http://zosso.piranho.ch/farnblatt.jpg

Ein ebenso klassisches wie immer wieder verzückendes Beispiel für fraktale Schönheit ist das bekannte Sierpinsky-Dreieck.

Diese geometrische Form kann durch unzählige und voneinander völlig verschiedene Konstruktionsarten gewonnen werden.

Eine erste Variante baut auf einem sogenannten Attractor auf.


  1. Drei Punkte bilden die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks.

  2. Ausgehend von einem beliebigen Startpunkt wird zufällig eine der drei Ecken ausgewählt.

  3. Ein Neupunkt wird bestimmt als der Mittelpunkt zwischen Ausgangspunkt und gewählter Ecke.

  4. Dieser Neupunkt wird gezeichnet und dient als Ausgangspunkt für die nächste Iteration.



Eine unendliche Zahl von Punkten bilden so eine "Fläche", die keine Fläche hat.

Als Ergebnis erhält man ungefähr folgendes Bild (hier wurden 50'000 Punkte gezeichnet):

Beispiel: http://zosso.piranho.ch/sierpinsky.jpg

Eine zweite Variante ist wieder eher rekursiver Natur:


  1. Von einem gleichseitigen Dreieck werden die drei jeweiligen Seitenmittelpunkte verbunden.

  2. Dadurch erhält man vier gleiche Teile.

  3. Das einbeschriebene Dreieck wird entfernt (herausgeschnitten).

  4. Die drei übrigbleibenden Eck-Dreiecke werden in selber Weise unterteilt usw.



Das folgende Beispiel findet statt in der Ebene im 3D-Raum statt, die Dreiecke sind durch Tetraeder ersetzt worden:

Beispiel: http://zosso.piranho.ch/sierpinsky3d.jpg

Beispiel: http://zosso.piranho.ch/sierpinsky3d-2.jpg

Der so gelöcherte Ur-Tetraeder ist im Prinzip völlig leer. Und trotzdem bleibt immer noch was übrig...

Einen weiteren sehr interessanten Ansatz bilden die Binomialkoeffizienten. Diese erhält man mit dem Pascal-Blaise-Dreieck:


  1. In einer ersten Zeile wird eine 1 geschrieben

  2. In der zweiten Zeile stehen versetzt zentriert nochmal zwei einsen

  3. Jede weitere Zeile erhält man folgendermassen: versetzt erhält man den Wert einer Stelle als Summe der beiden links und rechts stehenden Zahlen der vorhergehenden Zeile. Am Anfang und am Ende (links und rechts) werden jeweils einsen angefügt.

  4. Die dritte Zeile lautet entsprechend 1 3 3 1.

  5. Die vierte Zeile lautet 1 4 6 4 1 etc.


Wenn man nun alle ungeraden Zahlen rot und alle geraden Zahlen im Dreieck blau anmalt, erhält man auch wieder ein Sierpinsky-Dreieck!

Da gäbe es noch manch andere schöne Beispiel für fraktale Geometrie zu nennen, vielleicht komme ich später nochmals dazu(Pythagoras, Mandelbrot...).

Ist die Natur und die Mathematik als deren duales Abbild nicht einfach von erstaunlicher Schönheit??

MMmhhhh......

3 Comments:

At 12:42 AM, Blogger Zeus said...

Die Beispiele habe ich übrigens alle in Matlab selbst gecodet. Source-Codes geb' ich gerne weiter.

 
At 11:51 PM, Anonymous Anonym said...

warum funktionieren die URLs für die bilder nicht? oder ist mein firefox zu dumm, die anzuzeigen? das kann ich mir hingegen nicht vorstellen... naja, ich habe sie ja per mail bekommen, dann ist das auch egal.
gruss,
friedli

 
At 11:41 AM, Blogger Zeus said...

Das Problem mit den dead-URLs ist vorderhand gelöst.

Blogger unterstützt nicht das direkte Hinaufladen von Files, solche Ressourcen müssen also extern verlinkt werden.

Piranho ist ein gratis-Webspace Anbieter ohne Werbung etc. (www.piranho.ch). Offenbar hat aber das irgendwas mit dem Upload nicht geklappt, oder aber, die Dateien sind nach kurzer Zeit auf mysteriöse Art und Weise wieder vom Server gelöscht worden. Falls weiterhin Probleme auftreten, bitte melden, und ich such' mir einen anderen Webspace-Anbieter... Mänu?? :-)

 

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