Lesbe gefangen im Körper eines Mannes
"Moin moin, liebe Sportsfreunde zu hause hinter den Bildschirmen! Die Stimmung im ausverkauften Stadion ist bombig, die Menge tobt! Rückt Eure Sofakissen zurecht, stellt das Bier kühl und besorgt Euch Chips: Zeus ist zurück aus der Sommerpause (?) - und er hat Freunde mitgebracht... Der folgende Text gilt als nicht ganz ernst zu nehmen!"
"Lesbe gefangen im Körper eines Mannes!"
Nein, das ist nicht der reisserische Titel des morgigen Blick-Leitartikels und auch nicht die Betreffszeile einer verzweifelten "Liebes Dr.Sommer-Team"-Anfrage ("Ich (w) bin 14 und noch jungfrau - ist mein Vater schwul?").
Vielmehr ist dies einer dieser vielzähligen grotesken Gedanken, die dieser Tage durch meine grauen Zellen flitzen. Identitätskrise? - Aber doch nicht ich! Oder... doch?
Stein des Anstosses ist der sich seit längerem abzeichnende und entsprechend in Vorbereitung befindende Auszug (resp Zusammenzug mit seiner besseren Hälfte) meines Bruders. Dabei hat sich seine Freundin I. aus M. bei B. (Name der Redaktion bekannt) lautstark darüber geäussert, wer wem die Hemden bügeln wird - oder eben nicht. Und ob dieser Aussage konnte sich ihre "Schwiegermutter" (... ah so!) einer eindeutigen Einflussnahme nicht enthalten:
"Also wenn Ihr doch verliebt seid, so macht es Dir doch bestimmt nichts aus, für ihn die Hemden zu bügeln?!"
Und als wäre dem nicht schon genug, so wurden auch die übrigen Chargen im zukünftigen (?) Haushalt bereits verteilt: "Sie hat den kürzeren Arbeitsweg, also wird bestimmt sie immer unter der Woche einkaufen gehen" - Ja sonst noch was?!
Tja. Das "starke Geschlecht" in Ehren (wie ging das? "Wunsch ist Wunsch! ..." ?), aber sowas ist heute doch total aus der Mode?!
Diese anti-Rollen-und-Frauenfreundlich-Aussage aus den Fingern eines Mannes! Wirklich ein Mann? Aha! Der Zusammenhang zur Überschrift beginnt sich herauszukristallisieren!
Ok. Einige unübersehbare und schwergewichtige (!) Argumente (Man(n) gibt sich bescheiden), sprechen ihre eindeutige, klare Sprache. Meiner Physionomie ist eine "gewisse" Männlichkeit nicht abzusprechen. Dies steht ja auch nicht zur Debatte.
Im Geiste habe ich mich allerdings schon öfters dabei erwischt, eher unmännlichen (also fräulichen?) Denk-Klischees zu unterliegen.
Als Beispiel sei unter anderem der regelmässige Ekel vor den typischen Sonntagabend-Militärdienst-Einrückens-Zugfahrt-und-Zimmer-Konversationen genannt. In welcher Verachtung und Respektlosigkeit vor dem weiblichen Geschlecht und ihren jeweiligen (im wahrsten Sinn vom Wort) besseren Hälften die grosse Mehrheit von jungen Männern bei einem halben Liter Dosenbier in uniformierter Gesellschaft ihre Wochenendaktivitäten zum Besten geben können?! Oft habe ich mich gefragt, wie solche "Rohlinge" solche Wochenenden überhaupt verdienen?
Ein anderes Beispiel: Auch ich bin im Moment von einem unersättlichen Drang nach Unabhängigkeit getrieben, der zur Zeit vor allem durch den mir zur Verfügung stehenden finanziellen Rahmen im Zaum gehalten wird (nebst anderen etwas "unpässlichen Disponibilitäten"...). Dazu zählen unter anderem auch der Wunsch nach einem eigenen Auto (Peugeot 206, Turbo Diesel - für den Diesel-Teil ist This verantwortlich!) oder das selbständige Wohnen in einer eigenen Wohnung; oder das Übernehmen von Verantwortung in einer glücklichen Beziehung - paradox!
Eine eigene Wohnung will natürlich auch geschmackvoll eingerichtet sein - was für mich Herausforderung und Vergnügen zugleich wäre. Schliesslich muss eine solche Wohnung auch geputzt werden, Kleidung gewaschen und z.T. gebügelt werden, und auch für das kulinarische Wohl soll gesorgt sein. All dies "gluschtet" mich mehr, als für einen "rechten Mann" zulässig. Spricht da das Östrogen in mir?
Ich finde auch, dass es für meinen Bruder und seine Beziehung überaus schlecht wäre, von Anfang an in ein derartiges Abhängigkeits- und Dienstbarkeits-Schema zu verfallen. Erstens, weil er den Wert der verrichteten Arbeit (Haushalt, Bügeln etc.) so nicht (nie?) schätzen lernt, und zweitens, weil es für eine derartige Rollenverteilung auch gar keine rationale Begründung gibt.
Manch weiteres konkrete Beispiel für solches "weibliches" (nicht negativ zu verstehen) Gedankengut und Einstellung wäre zu finden, und auch manch andere Charaktereigenschaft an mir.
Was jetzt folgt, darf noch weniger als ernst zu nehmen und rechtlich verbindlich betrachtet werden. Wer sich an meine belächelnde Erzählung der Entwicklungsgeschichte eines/einer (?) Rüfenachter Bähnli-Station-Transsexuellen erinnert, wird unschwer verstehen, dass ich solche Aussagen unmöglich ernsthaft glauben kann... (Bei entsprechender Nachfrage könnte ich eigentlich auch diese Geschichte mal schriftlich zum Besten geben?!)
Jedenfalls: Spricht da etwa eine "Frau" in mir? Ein Blick in den Spiegel und nach unten zeigt eindeutig: So einfach kann es nicht sein.
Eine Frau also, gefangen im Körper eines Mannes? - Schon besser!
Nun ist aber hinlänglich bekannt, dass ich doch eher für Frauen im Allgemeinen wie einzelnen im Speziellen schwärme denn für Männer.
Wäre denn diese Frau, gefangen im Körper eines Mannes, nun eine Lesbe? Ah! Der Bogen zum Titel wäre also geschafft.
"Lesbe gefangen im Körper eines Mannes!" - diesen Gedanken empfinde ich überaus interessant, und irgendwie sogar "schön". Dieses "schön"-Gefühl hat jetzt nichts mit irgendwelchen verdorbenen, schmutzigen Gedanken zu tun, die zwar auch mir in diesem Moment durch den Kopf gehen (was doch wieder eher für einen Mann sprechen würde?).
Könnte man nicht von jedem einfühlsamen, sensiblen, intelligenten, charmanten und attraktiven Mann (ich spreche da ja nicht mehr unbedingt von mir) sagen, dass er genauso eine gefangene Lesbe ist?
Irgendwie ehrt mich diese Vorstellung, im innersten eigentlich eine Frau zu sein. Schliesslich ist eine Frau doch ein so wunderbares Wesen, verklärend kompliziert und dem männlichen (?) Verstand völlig unergründlich.
Unter den Begriff Frau fallen in diesem Moment nicht alle jenen histerischen Wesen, die sich vor Spinnen fürchten, nicht autofahren und einparken können, vor Hunden schreiend davon springen, im Beautysalon und beim Coiffeur über Männer (?) lästern, keinen Umgang mit Geld haben und sich die PIN ihrer Bankkarte nicht merken können, den Begriff Computer nur aus dem Wörterbuch und der Illustrierten kennen, abends über Migräne klagen oder sich die Haare waschen müssen, ....
Und zu guter Letzt: Der Schwule, gefangen im Körper einer Frau wäre uns dann ja eigentlich auch hinlänglich bekannt. Man stelle sich jene Art von maskuliner, dominanter Frau (?) vor, die dem Mann (?) bei Ungehorsam auch schon mal kräftig eins mit dem Nudelholz nachsetzt... Wohl kaum! Aber diese Geschichte sparen wir uns für ein anderes Mal.
5 Comments:
"...Eine wunderbar witzige und genial komponierte Intellekt-Satire über die herkömmlichen Mann-von-Mars und Frau-von-Venus-Klischees..."
The Guardian
"...Dieser rührende Artikel räumt auf mit den gängigen Vorstellungen der Charakter-Rollenverteilung zwischen Mann und Frau..."
Die Weltwoche
"...Ein Meisterstück!..."
Neue Zürcher Zeitung
Eine fortführende Bemerkung zu S. und I.: er wird ja wohl auch so verliebt sein, dass es ihm nichts ausmacht, ihre Tops oder Blusen zu bügeln...?!? ;-)
Warten wir mal ab... Spätestens nach dem ersten Besuch des Seminars 'Familie im Wandel: die Rollen der Väter und Mütter' werde ich wohl noch viel mehr dazu zu sagen haben...
Huiii; da haglets ja Klischees am Laufmeter! :-)
Ig ha mer scho überleit, itz mi intellektuell Senf drzue z gäh... das Thema geit ja ewigs wyt. Und schliesslech gits ja dert, won ig studiere, sone Fraueabteilig namens [schlichwärbigs-modus] IZFG (www.izfg.unibe.ch) [/schlichwärbigs-modus] :-D. Aber das lani itz gloub.
Jedefalls, Gschlächtsumwandlige si ja hüt prinzipiell müglech, wenn o chli riskant. Spätischtens wennd dini Meinig änderisch... ;-)
^ I'm just kidding in case you didn't notice.
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